Dresscode. Farbcodierte Kleidung für KünstlerInnen
Kunsthaus Baselland, 2004

Dresscode. Farbcodierte Kleidung für Museumspersonal
Galerie der Gegenwart, Hamburger Kunsthalle 2004

Dresscode. Farbcodierte Kleidung für Museumspersonal
Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin 2004

Dresscode. Farbcodierte Kleidung für Museumspersonal
Galerie der Gegenwart, Hamburger Kunsthalle 2004

Dresscode. Farbcodierte Kleidung für den ländlichen Raum
Kunstraum Dornbirn 2006

Dieter Buchhart: Was bedeuten Begriffe wie das Modell, der Prototyp oder der Entwurf in eurer Kunstpraxis?

Dellbrügge de Moll: Künstler haben einen ausgeprägten Möglichkeitssinn, d.h. sie gleichen den Status Quo mit dem ab, was sein könnte. Gleichzeitig haben sie kaum Zugriffsmöglichkeiten auf gesellschaftsrelevante Bereiche wie Architektur, Städtebau, Verkehr, Bildung, Ernährung, Bekleidung, Ökonomie und Organisation von Arbeit. Was bleibt, ist die Ebene des Kommentars, d.h. Ideen, Pattern, Denkfiguren zu entwickeln und in Umlauf zu bringen. Menschen haben eine Affinität, Verhaltensmuster zu erkennen und zu reproduzieren, Modelle aufzugreifen, zu adaptieren, zu kopieren. Damit arbeiten wir.

Dieter Buchhart: Auf Werke wie „Dresscode. Farbcodierte Kleidung für den ländlichen Raum“ (2003/2006) bezogen, würdet ihr einem Prototyp welche Bedeutung zuschreiben?

Dellbrügge de Moll: Der Ausstellungskontext bietet begrenzte Ressourcen. Das erlaubt die Vorstellung der Idee im Sinne eines Versuchsmodells, Entwurfsmusters oder Vorab-Exemplars, das zur Erprobung von Eigenschaften dient.

Dieter Buchhart: Ist „Prototyp“ in diesen Fällen metaphorisch oder tatsächlich als Musterstück einer umfangreicheren Produktion gedacht?

Dellbrügge de Moll: Es ist durchaus eine Herausforderung, über den temporären Rahmen von Ausstellungen hinauszugehen und etwa die „Farbcodierte Kleidung für Museumspersonal“ in großem Maßstab umzusetzen. Ein Code wird umso wirksamer, je weiter er verbreitet ist und je mehr Gruppen sich darauf einigen, ihn zu benutzen. Stell Dir vor, Du betrittst ein Museum, das sein Personal mit der farbcodierten Kleidung ausgestattet hat. Du bist sofort im Bilde, dass es das Konzept von Sicherheit und Überwachung zugunsten eines Konzepts von Vermittlung und Interaktion ausgetauscht hat.

Dieter Buchhart: Wie habt ihr die Farbcodes für die Kleidung für den kulturellen (KünstlerInnen, Museumspersonal, etc.) und landwirtschaftlichen Raum entwickelt? Was waren die Parameter und welches Konzept verbirgt sich hinter dieser Farbwahl?

Dellbrügge de Moll: Im düsteren Herbst 2003 wurden wir zu dem Symposium „Art and Sustainability in the Rural Space“ in der Nähe von Dresden eingeladen. Die Region litt unter den üblichenNachwende-Malaisen: Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Insolvenzen, Lebensmittelskandale, Neonazis. Investoren waren nicht in Sicht. Die Politik beackerte vielversprechendere Felder. Nur eine Handvoll Kunsthistorikerinnen und Stadtentwickler kämpfte noch darum, ein paar Euro für Kultur abzuschöpfen. Der Nachbarort setzte auf Sport. In Großenhain sollte Kunst heilen. Selten hatten wir uns so ratlos gefühlt. Kapital, um die zusammengebrochenen Betriebe wieder aufzubauen, fehlte uns. Sachverstand für Strukturreformen im ländlichen Raum und der notwendige Zugriff diese umzusetzen gingen uns ab. Schließlich begaben wir uns auf die Meta-Ebene und entwickelten ein Kommunikationswerkzeug: „Dresscode. Farbcodierte Kleidung für den ländlichen Raum“. Die farbcodierte Kleidung für den ländlichen Raum verbindet die Funktionalität robuster Arbeitskleidung mit der Kommunikation von Haltungen. Sieht aus wie Mode, sind aber Daten. Ein paar Stücke Stoff werden aneinander genäht und bedeuten etwas. Haltung und Verhalten der Träger sind Grundlage des Designs. Aus den Farben der Region extrahierten wir eine Farbpalette und wiesen ihren Tönen Bedeutungen zu. Der entstehende Farbcode gibt Aufschluss über die individuelle ökologische und ökonomische Position. So wird „Dresscode“ zum nonverbalen Kommunikationssystem.

aus: Dieter Buchhardt, „Exemplarisch Kommunizierende“
Kunstforum International, Bd. 191