Der gute Ruf der Architekten
X Wohnungen Suburbs 2005, Märkisches Viertel Berlin
Intervention auf den Dächern der Gebäude von Heinrichs/Müller

Das Märkische Viertel ist ein aus der Not geborenes von politischen und finanziellen Zwängen generiertes städtebauliches Experiment. Bereits in der Bauphase wurde es zum Synonym für die „Unwirtlichkeit der Städte“. „Der gute Ruf der Architekten“ geht zu seinem Ursprung zurück, zu den Statements der jungen Architekten, die, getragen von einem internationalen Diskurs, eine neue Form verdichteten Wohnens entwarfen.

Der große Wurf der Architekten prallte auf die Konventionen menschlichen Wohnens. Die Unterschätzung der Wohnungsbelegung und das Nachhinken der Infrastruktur taten ihr Übriges, um den Traum vom verdichteten Wohnen zum Alptraum zu machen – zumindest was sein Bild in den Medien anging. Oswald M. Ungers sah seinen Ruf ruiniert, ging nach Amerika und ließ 15 Jahre lang die Finger vom Bauen. Ursprünglich aber fühlten sich die Architekten auf einem gemeinsamen Weg in die Zukunft urbanen Wohnens. Ein Glücksfall schien ihnen die Chance, großdimensioniert zu entwerfen. Mitten ins Nowhereland wilder Gartenkolonien setzten sie einTomorrowland. Eine Landschaft mit Gehöften für Riesen.

Die Wohnraumverteilung spiegelte soziale Hierarchien: kinderreiche Familien wurden ins Paterre gesteckt, um sie aus Treppenhäusern und Aufzügen fernzuhalten. Soziale Konsolidierung machte den etagenmäßigen Aufstieg möglich. Künstler sollten ganz oben wohnen. 30 Atelier-Penthäuser krönen das Hochhausensemble von Heinrichs/Müller. Rot, blau, grün, gelb überragen sie als bunte Gipfel die Dächer. Haben je Künstler die Dachateliers mit umlaufenden Terassen bewohnt? Erwartete man, dass das Habitat die passenden Bewohner anzieht, wie Nistkästen die Meisen? Und was erhoffte man sich von solchen Vögeln? Ein Neubauviertel am Stadtrand attraktiv zu machen ist eine Herausforderung für Städteplaner. Künstler sind ein Barometer des Urbanen. Die Aufwertung eines Stadtteils durch Ansiedlung von kulturellen Produzenten hat sich bewährt. In ökonomischen Nischen nistend markieren sie die einsetzende Gentrifizierung. Als Schauplatz für die Intervention wählten wir daher eines der Atelier-Penthäuser.

Der Aufzug öffnete sich direkt ins Atelier 24, 18. Oben angekommen trat man hinaus aus den niedrigen Decken, den engen Fluren, den verschachtelten Grundrissen. Aus dieser Perspektive werden die Wohnmaschinen tektonische Massen, verschattete Schluchten, kahle Bergrücken, Gebirgsketten, die im Dunst des Horizonts verblassen. Die verwitterten Holzstege, die über das Dach führen, versetzen in Bergwanderungstimmung.

Paarweise kamen die Besucher von X-Wohnungen an. Zwei Assistenten begleiteten sie zur Dachkante. Von hier aus riefen sie durchs Megaphon zu den benachbarten Atelier-Penthäusern über die Häuserschlucht hinweg Sätze der Architekten des Anfangs. Ihr Ruf wurde von den umliegenden Dächern beantwortet, wo sechs weitere Assistenten positioniert waren. Eine Klangwolke von Botschaften entstand und machte die Euphorie und Radikalität des Aufbruchs hörbar.